Hauptstadtkater

4. November 2025

Kotzender Kater mit Kater und die krasse Erderwärmung

Der Wein ist mein. Ich komme nicht davon los. Werde magisch angezogen. Vom Duft. Er schnuppert so delicious. Und steigert mit jedem Inhalieren meinen Chill-Level. In Sekundenschnelle. Und so hänge ich wieder an der Pulle. Und frage mich erschrocken: Ist das Sucht? Wäre keine Wucht.

Boah, ist mir warm. Würde gerne den Pelz ablegen. Denn nun prallt auch noch die Sonne. Auf meinen Kopf. Und ich denke so: Eigentlich mag ich Wärme. Aber das ist selbst mir zu viel. Im November. Wo doch schon die Heizungsluft mich umflirrt.

Allein – es wird noch viel wärmer werden. Demnächst. Bis Ende des Jahrhunderts prognostizieren die Vereinten Nationen eine weltweite Erwärmung um 2,8 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit – also so das Jahr 1850. Vereinbartes Ziel war eine Erwärmung von höchstens 1,5 Grad, nur so könnten die Folgen beherrschbar bleiben, hieß es vor wenigen Jahren. Dieses Ziel werde schon im kommenden Jahrzehnt überschritten. Sagen die Vereinten Nationen nun.

Fuck, denke ich so. Und merke nun durch Eigenerfahrung: Frustabbau wird leichter gemacht durch Vino. Herrlich, als ich weiter an Felixens Glas schnuppere. Cabernet Sauvignon. Aus Chile. Mit noch mehr Sonne würde er noch mehr Süße bekommen. Denke ich so. Fühle mich wie ein schlechter Sommelier. Und deprimiert.

Ein Schwindel erfasst mich: Wirbelstürme, Überschwemmungen, Hitzewellen, Dürren, Erdrutsche – und dadurch ausgelöste Massenflucht von Milliarden Menschen. Und Tieren. Katern. Kätzchen. Überflutetet Inselparadiese. Schmelzende Gletscher. Eine andere Welt.

„Wenn es so weit ist, was werden uns unsere Enkel und Ur-Enkel vorwerfen?“, fragt Felix mit glasigen Augen. Und stößt mich rüde von seinem Glas weg. „Wir wussten es – und tun doch nichts dagegen. Erneuerbare Energien, Windkraft, weniger Verbrauch, Ernährung…“, lallt er. Und ich denke so: „Trink Alta. Und träum von Barcelona. Und Deinem Flug dahin, vor anderthalb Wochen.“

Felix lamentiert, zerflossen in Selbstmitleid. Und merkt nicht, wie ich weiteren Duft inhaliere, vom Wein. Des Lebens. Die Übelkeit steigt. Ob des Zusammenspiels übermäßigen Alkoholkonsums mit Nachrichten, die keine sind. Aber verbreitet werden. Geklickt werden – mehr als Warnungen der Vereinten Nationen.

Beispielsweise die News, dass der Köter von Mick Schumacher gestorben ist. Mick ist der Sohn der Formel-1-Legende Michael Schumacher. Sein Hund Angie sei sein Schatten gewesen. Trauert Mick. Und ich denke so: Dann muss Mick die Sonne sein. Die ich löschen muss. Ich finde ihn nicht. Würde ihn gerne anpullern. Ankotzen. Spüre Verwirrung im Kopf. Ein heftiges Stechen.

Höre aber noch Felix, wie er nun liest, der älteste Mann Deutschlands sei gestorben. Mit 110 Jahren. Überhaupt: Immer mehr Menschen in diesem Land würden 100 und älter. Und ich denke so: Die haben dann noch die echte Kälte erlebt. Damals, Anfang des 20. Jahrhunderts. Mir ist so übel. Ich schwanke.

Felix streichelt mich. Besorgt. Empathisch. Ich will weg. Vom Vino. Der mich anzieht. Weil er übertüncht. Die Realität. Der ich ins Auge schauen will. Ich muss kotzen. Der Kater leidet unter dem Kater. Sagt der erhitzte Hauptstadtkater. Der über euch wacht. Und sagt: Jetzt chillt. Leute.

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