Hauptstadtkater

22. November 2025

Alles eine Frage der Perspektive und mein unaufgeregte Bruna

Alles ist eine Frage der Perspektive. Und die kann sich ständig ändern. Wenn ich ganz nah ranzoome, an Cocos Fell beispielsweise, sehe ich nur schwarz-orange-weiße Streifen. Sehe, dass ihr Pelz auf der Stirn asymmetrisch angelegt ist. Und wenn ich dann wegzoome. Sehe ich plötzlich eine ziemlich große Jungkatze vor mir. Die mich – größenmäßig, tatsächlich eingeholt hat.

Die Europäer haben sich vom ersten Schock erholt, nicht in den 28-Punkte- US-„Friedensplan“ für die Ukraine eingeweiht gewesen zu sein. Und haben was Eigenes entwickelt. Eine eigene Perspektive. Denke ich so. Nun, Grundlage für potenzielle Verhandlungen sei der US-Plan. Sagen die Europäer. Aber klar sei, dass die Ukraine in Verhandlungen miteinbezogen sein müsse – und nicht die Großmächte über ihren Kopf hinweg für sie Entscheidungen treffen dürften. Ohne Zustimmung der Ukrainer und ihrer Unterstützer könne es kein Ende des Krieges geben.

Und ich denke so: Hmmm, ob sich davon US-Präsident Trump oder Kremldespot Putin beeindrucken lassen? Die Europäer erklären weiter: Da bei dem „Plan“ Nato- und EU-Interessen betroffen seien, müssten auch diese Institutionen zustimmen. So heiße es ja zum einen, die Nato müsse erklären, sich nicht zu erweitern – und ich denke so: warum sollte sie? Die Europäer fordern zum anderen, auch sie müssten einbezogen werden, etwa wenn es darum ginge, was mit den eingefrorenen russischen Vermögen geschehen solle.

Noch fünf Tage hat die Ukraine Zeit, sich für oder gegen den „Plan“ zu entscheiden. Sagt Trump. Falls die Ukraine dagegen sei, sei es mit US-Waffenlieferungen und Geheimdienstinformationen vorbei.

Der ukrainische Präsident Selenskyj – innenpolitisch eh von einer Korruptionsaffäre gebeutelt – ist im Dilemma.  Er habe zu entscheiden zwischen dem Verlust der Würde oder dem Risiko, einen Schlüsselpartner zu verlieren – und das kurz vor dem Winter.  Sagt er. Und ich, ich denke, ich wüsste nicht, wie Selenskyj seine Perspektive auf das Dilemma ändern könnte. Klingt der US-„Plan“ doch, als ob er von Putin persönlich den Amis diktiert worden sei.

Würde also. Meine Bruna hat sie. Sage ich aus der abgehobenen Perspektive des Hauptstadtkaters: Heute geht sie zu einem Konzert, in dem sie die Hauptrolle einnimmt – fiedelt souverän meinen Lieblings-Bach runter. Vollkommen unaufgeregt.

Warum sie so souverän sei? Nun, ihre Alten Felix und Laura seien nicht wie sonst dabei, weil sie sich lieber in Hamburg ein schönes Weekend zu zweit machten. Sagt sie hernach. Das habe ihre Perspektive aufs Konzert verändert, sie sei vollkommen locker gewesen.

„Ich war zu fünf Prozent aufgeregt“, sagt sie. Aber dann, dann sei überraschend Freundin Uma aufgetaucht – um sie zu unterstützen. Mental. Da sei der Aufgeregt-Pegel auf 20 Prozent gestiegen. Sagt meine Bruna.

Und ich frage mich so: 20 Prozent bei einem Solokonzert vor Dutzenden Zuschauern? Klingt eigentlich tiefenentspannt. Aus meiner Perspektive. So sollten mal alle Menschen sein. Vor allem die Mächtigen. Aber deren Stresslevel pendelt offensichtlich andauernd nahe der 100-Prozent-Schwelle. Sagt der perspektivlose Hauptstadtkater. Der über euch wacht. Und jetzt: Chillt, Leute. Trotz allem.

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