Der Kampf um die Zahnbürste und der linke Mob in Gießen

Coco liebt: Zähneputzen. Und ich denke so, da hat sie auch mal recht. Denn: Wer etwas erhalten will, muss es pflegen. Was auch für uns Kater – und Katzen – gilt. Coco ist eben the new way. Mit ihren fünf Monaten. Hat keine Hemmungen zu zeigen, was sie will. Beispielsweise gesund und nachhaltig leben. Wozu eben auch die Zahnpflege zählt. Denn wer hat schon Bock auf Zahnschmerz? Eben!
Oft erkennt man erst, was etwas bedeutet hat, wenn es weg ist. Das gilt natürlich für Zähne. Aber auch für Menschen. Meine Bruna hatte heute mit den Chören und dem Jugendsinfonieorchester ihrer Schule – rund 220 Jugendlichen – im Berliner Konzerthaus ihr Weihnachtskonzert. Für den einen Chor war fast vier Jahrzehnte ein Mann Dirigent, der vor wenigen Monaten in Rente ging. Und der nun heute erstmals bei einem Konzert nicht mehr dabei ist.
Seine Nachfolgerin? Nun, die Schülerinnen und Schüler sind sich ziemlich einig: Wenig Ausstrahlung. Keine Power. Ohne Charisma. Der Alte fehlt. Heißt es selten unisono. Über einen, über den sie noch im vergangenen Jahr lästerten, er sei langweilig, zu alt, zu wenig durchsetzungsstark. Immerhin: Der Saal mit seinen 600 Zuschauern tobt trotzdem. Als die Chöre und das Orchester zusammen „Angels Carol“ jubilieren.

Meine Gedanken schweifen zu Chris, den Onkel meiner Bruna in Gießen. Der will nun die politische Kultur pflegen. Um die Demokratie zu erhalten. Er ärgert sich massiv über den Unions-Fraktionschef Spahn. Der hatte vor zwei Tagen in einer Talkshow am Abend nach den Proteste in Gießen gegen die Gründung der AfD-Jugendorganisation gesagt, der linke Mob habe sich auf dem Straßen Gießens versammelt.
Chris schreibt an Spahns Büro – 3.000 Zeichen hat er Platz. Dessen Einlassung in dem Talk seien extrem demotivierend für jede demokratisch gesinnte Person, die vor Ort war, heißt es in seinem Text. Denn: Die Proteste seien größtenteils friedlich abgelaufen.
Spahn und seine Partei ignorierten, dass rund 30.000 Menschen in der Stadt Zivilcourage gezeigt hätten, heißt es weiter. Bezeichnend sei, dass bei diesem Fest bloß zwei Parteien gefehlt hätten: Wenig verwunderlich die AfD – aber eben auch die CDU. „Das macht nicht nur mich traurig. Das ist erschreckend“, schließt Chris seinen Text. Und ich hoffe so, dass Spahn auch mal etwas wie diese Mitteilung selbst liest. Tja, leider sieht mein Nicken niemand.

Weil alle auf Coco schauen. Die im Arm meiner Bruna liegt. Und mit jener um die Zahnbürste zu kämpfen scheint. Weil sie wie meine Bruna ihre Zähne putzen will. The new way eben. Nach dem Motto: Zähneputzen ist geil.
Clever, denke ich so. Denn ich weiß, erstens hat sie – Coco – tierischen Mundgeruch. Und zweitens: beim Tierarzt kostet Zahnpflege richtig Knete – allein Zahnstein entfernen um die 100 Euro. Dann besser selbst meißeln. Sagt der konservatorische Hauptstadtkater. Der über euch wacht. Und jetzt putzt Zähne. Und chillt, Leute.
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