Hauptstadtkater

1. Dezember 2025

Der Schmerz, der mich zerreißt

Trennen, ich kann mich einfach nicht trennen. Es ist so krass, dieser Schmerz, der dann entsteht. Ich könnte heulen, wenn ich heulen könnte. Aber das können Kater eben rein von ihrer Physiognomie her nicht. Ist eh `ne menschliche Besonderheit – dass Tränen mit Gefühlen verbunden sind.

Nun: Zurück zum Trennungsschmerz, der mich zerreißt. Vor allem, wenn etwas schwindet, was ich liebe. Und ich gestehe: Es ist meine Nuria. Die schon wieder zurück will. In ihr Mäuse-Freiburg. Ich wiederhole: Der Schmerz, der mich zerreißt. Ist schrecklich. Und so halte ich meine Nuria. Fest. Und bin natürlich trotzdem: Extrem sanft. Mit beiden Pfoten. Nehme ich ihre Hand.

Trennen ist immer shit. Auch wenn behauptet wird, danach fühle man sich wie befreit. Manche vielleicht. Ich. Nicht. Manchmal schmerzt es auch, sich von Gegenständen oder auch Gewissheiten zu verabschieden. Verabschieden zu müssen.  

Ich sehe Felix, wie er schon nach der Trennung von einigen seiner Bücher voll leidet und sogar flennt. Und noch mehr nach der Trennung von seiner skurrilen Gewissheit, die ewige Jugend gepachtet zu haben. Oder Coco, die dachte, sie dürfe alles – weil Kitten-Schutz. Und nun merkt, dass es eben doch nicht funktioniert, einfach so die mühsam von meinen Alten aufgehängte adventliche Lichterkette runterzureißen – ohne gestraft zu werden.

Oder Diego, der dachte, er könne beim Hamburger SV anrufen und die würden ihm ein Praktikum mit Kusshand geben. Oder Laura, die dachte, sie könne in unserem Revier satt werden, ohne selbst zu kochen. Oder meine Bruna, die dachte, sie könne sich schminken, ohne dass es ihre Leute sähen.

Oder der ukrainische Präsident Selenskyj. Der sich vergangene Woche von seinem Buddy und engstem Berater Jermak trennen musste. Nach Korruptionsvorwürfen. Könnte sein Anfang vom Ende sein. Denke ich so. Denn dieser Vorgang zerstört im Inneren und im Äußeren das Wichtigste: Vertrauen.

Heute erlebe ich einen traurigen Chris. You know: Onkel meiner Bruna, Theater-Prof und Gastgeber von Demonstranten.  Der erzählt, er habe tatsächlich geglaubt, wenn Zehntausende friedlich gegen Nazis demonstrierten, müsse das im Fokus der Berichterstattung stehen. Und nicht die gewalttätigen Auseinandersetzungen einiger weniger, die junge Rechtsextreme auf ihrem Kongress für die Gründung einer AfD-Jugendorganisation in Gießen stören wollten.

Chris meint – und ich stimme ihm ausdrücklich zu – dass im Fokus der Kritik eben diese Rechtsextremisten stehen müssten. Leute, die die Demokratie zerstören wollen. Die vom Verfassungsgericht als gesichert rechtsextrem eingestuft werden. 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Und dem Ende der Nazi-Hölle. Aber: Unionspolitiker und auch Teile der Medien echauffieren sich über linke Gewalttäter bei den Protesten. Dass da in einer Messehalle der Stadt eine Kaderschmiede der Rechtsextremisten gegründet wurde, geriet ins Hintertreffen. Und stand nicht im Fokus der medialen Empörung.

Ich merke, wie meine Nuria ihre Finger aus meiner Pfote löst. Mich streichelt und liebkost. Und dann abhaut. Nach Freiburg. Über Nacht. Im kalten Zug. Statt bei mir zu sein. Im warmen Revier. Und ich spüre, wie sich meine Kehle zuschnürt. Trauer. Selbst die Entscheidung, das Angebot als Mäusekater in Freiburg zu arbeiten, abgelehnt zu haben, stelle ich infrage. Sagt der zutiefst gespaltene Hauptstadtkater. Der über euch wacht. Und jetzt: Chillt, Leute.

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