Tag: 16. November 2025

  • 16. November 2025

    Einstürzende Gewissheiten – und warum ich nicht mehr trinken muss

    Meine einzige Gewissheit ist, dass es keine Gewissheit gibt. Ungewissheit also meine einzige Gewissheit ist. Beispiel? Ich gehe davon aus, dass ich ein Kater bin. Dachte ich jedenfalls so. Aber – es gibt Momente, in denen fühle ich mich selbst unwirklich. Und komme zum Schluss: Vielleicht bin ich gar nicht. Alles ist Einbildung. Ein einziger Traum.

    Bislang dachte ich auch, Katzen seien Katzen – und hätten keine Hunde-Attitüden. Auch diese Gewissheit löst sich auf. Wie Köter, so liebt Coco Wasser. Und nun apportiert sie auch noch. Wie ein Hund. Stoffbündel. Federrasseln. Spielzeugmäuse. Die meine Bruna wirft. Coco jagt hinterher. Nimmt es auf. Trägt es dann in der Schnauze zurück. Zu meiner Bruna.

    Felix erzählt vom Bruch unumstößlicher Gewissheiten in seiner Branche, den Medien. Bis vor einem Jahr seien sich so ziemlich alle Chefredakteure von Zeitungen einig gewesen: Die gedruckte Zeitung sei tot, spätestens 2029. Eine Fehleinschätzung. Räumt Felix kleinlaut ein. Die gedruckten Ausgaben würden viel länger leben. Weil sie weiter Geld brächten. Obwohl dort keine Werbung mehr geschaltet werde, obwohl die Auflagen stetig abnähmen, weil junge Abonnenten nicht dazu kämen.

    Aber, es würden eben auf der anderen Seite massiv Kosten gesenkt. Das Personal in den Reaktionen sei nur noch zu einem Drittel da, der Rest entlassen. Druckereien seien dicht gemacht worden, dafür würden jetzt mehrere Titel in einer Druckerei erstellt – eine weitere große Kostenersparnis. Und: Die zeitungslesende Generation 70 plus sei leidensfähiger als angenommen. Trotz massiver Erhöhungen der Abo-Preise blieben sie dabei. Und auch die mit Penetranz vertretene Gewissheit: Digital sei alles – sei ungültig. Da die Erlöse dafür noch längst nicht ausreichten.

    Der Opa meiner Bruna, Volker, ist derzeit im Krankenhaus. Seine Nieren mucken. Der Chefarzt dort stößt weitere Gewissheiten um: Die seit Jahren gepredigte Doktrin, Mensch müsse täglich mindestens zwei Liter Wasser trinken, sei falsch. Jeder solle so viel trinken, wie er wolle. Wie sein Verlangen sei. Zu viel Flüssigkeit könne auch schädlich sein. Und ich überlege so: Gilt das auch für Kater? Die ja auch immer viel trinken sollen, damit die Nieren nicht kaputt gehen. Sagen Tierärzte. Herrlich, wenn ich nicht mehr stinkendes Wasser trinken muss. Denke ich so. Und haue Coco.

    Tja, und nicht einmal meine Gewissheit, dass aufgewärmter Spinat giftig werde, stimmt. Behauptet jedenfalls Laura. Die Allwissende. Ein Koch habe gesagt, früher hätten oft Kühlmöglichkeiten gefehlt. Und wenn der Spinat nicht kaltgestellt werde, bildeten sich Giftstoffe. Ansonsten sei es aber kein Problem: Aufwärmen und essen. Und ich denke so: Zum Glück mag ich kein Grünzeug. Eine absolute Gewissheit. Für mich. Sure.  

    Tja, dann jage ich mal Coco. Spüre mich. Bin Kater. Ganz sicher. Jung. Wild. Und nicht alt. Hole den Stofflappen, den Coco apportiert hatte. Bin gewiss, dass ich schnell geblieben bin. Sagt der gewissenhafte Hauptstadtkater. Der über euch wacht. Und jetzt, Leute: Chillt!