Tag: 3. November 2025

  • 3. November 2025

    Die fünf Trink-Phasen und die blauen Köter von Tschernobyl

    Wein ist Leben. Scheinen Menschen zu denken. Weil er sie in den Modus versetzt, der für uns Kater selbstverständlich ist: Der Chill-Modus. Wenn Felix und Laura ihren chilenischen Montes, ein Cabernet Sauvignon, entkorkt haben, ist immer dasselbe Schema zu erkennen. Phase eins: Dauergrinsen, Phase zwei: Dauergelaber. Phase drei: Dauer-Kontrollverlust. Der gefährlich ist. Weil sie es plötzlich witzig finden, wenn ich mich an ihrem Wein berauschen würde. Für Katzen ist Wein: Tod.

    Phase Drei kündigt sich an, wenn Felix nach einer äußerst kurzen Chillphase unvermittelt versucht, geistreich zu sein: „Ich denke mal, Trump ist nur Symptom einer postfaktischen Gesellschaft, in der Wahrheit und Macht nicht mehr zusammenpassen. Eigentlich ein Paradoxon“, sagt er. Und ich merke, wie sehr er sich bemüht, deutlich zu sprechen. Und Laura ist getriggert, antwortet – gleichfalls sichtlich bemüht um klare Aussprache – mit Blick auf mich: „Ein Paradoxon wie das Bild, das wir uns von Katzen machen – ihr Drang nach Freiheit und ihr Leben in einer kleinen Stadtwohnung bei uns.“

    Ich schnuppere am Wein. Und dessen Blume. Wie Menschen den Duft nennen. Törnt. Mich. Tatsächlich. An. Wohlig ist es. Warm. Weich. Gechillt. Und der Quatsch, den meine Alten labern, verschwimmt zur bloßen Klangkulisse. Ich denke: So zum Fremdschämen. Denn – sorry für mein Dozieren – sie schildern keine Paradoxa, sondern einfache Widersprüche. You know: Ein Paradox ist nur scheinbar widersprüchlich und regt durch Irritation zum Nachdenken an. Die sogenannten Weisheiten von Felix und Laura: Regen zum Kopfschütteln an.

    Nun, ich bin in einem euphorischen Flow gelandet. Vor mir erscheinen blaue Köter. Bin ich blau? Nein, albern, sage ich mir selbst. Sehe die Blau-Köter auf dem Gelände eines Atomkraftwerks laufen, dessen Reaktor explodiert ist. Und ich höre meine Leite murmeln: Tschernobyl, 1986, Explosion, kontaminiertes Gelände, Tausende Strahlenverseuchte, Zehntausende Menschen, die ihre Köter zurückließen, die sich nun unkontrolliert vermehrt haben. Und ob der Strahlung blau geworden sind.

    Nein, höre ich ihre Stimmen durch meinen Rausch fliegen. Märchen! Für die Färbung sei nicht Strahlung verantwortlich. Sondern Tierärzte. Die die Köter sterilisiert und diese dann mit blauer Farbe markiert hätten. Damit sie sich nicht weiter unkontrolliert vermehren. Also doch: In vino veritas. Beim Menschen zumindest.

    Und ich bin froh, dass ich Farben erkennen kann. Zumindest Blau. Grün. Gelb. Rot nicht. Aber dafür können wir Kater besser als Menschen im Dunklen sehen. Und so sehe ich im Schummerlicht die Katastrophe kommen: Felixens Hand touchiert unkontrolliert zitternd die Weinflasche. Ich hüpfe weg, bevor sich ihr offenbar roter Inhalt über mich ergießen kann. Bei Felix und Laura hat Phase vier begonnen: Dauertanz mit Dauergesang. Der schnell in Phase fünf mündet: Dauer-Kater.

    Womit ich wieder ins Spiel komme. Zum Trösten. Sagt der trunkene Hauptstadtkater. Der über euch wacht. Und jetzt, chillt Leute. Und. Trinkt. Nicht. Zu. Viel. Vino.