Barcelona oder das verlorene Paradies

Es gibt auch in meinem Revier verbotene Zonen. Beispielsweise die Künstler-Kammer. Hinter der Küche. Das geheiligte Zimmer Lauras. Mit vielen Pinseln, Farbdöschen und Stiften. Die so nice durch die Gegend fliegen. Wenn man sie leicht touchiert. Und dann gibt es hier noch eine Leiter – zugleich Kratzbaum und Catwalk. Alles nice also.
Und ich frage mich: Warum zur Hölle sollte ich hier nicht rein? Ins Kater-Paradies? Oder, um es mit meiner Bruna zu sagen: In ihr Barcelona. Denn sie ist voll verknallt in diesen Ort, in dem sie gerade mit Laura und Felix weilt. Sagt, Barcelona sei ihr Paradies. Dort wolle sie leben. Spätestens beim Studium.
Und ich zucke zusammen – ob dieser Perspektive. Studium, das sind ja nur noch drei Jahre. Und ich? Was passiert dann mit mir? Wo soll ich leben? Und es scheint mir, für meine Bruna gibt es tatsächlich kein Zurück.



Sie schwärmt: Von der Wärme Barcelonas. Vom Meer. Von coolen Leuten. Dali. Der Sonne. Chillen. Altstadt. Dem Licht. Gaudi. Kötern. Frisch gepressten O-Saft. Picasso. Humanas. Miro. Sagrada. Cafés. Coolen Shops. Palmen. Entspannt-Sein. Tapas. Spanischsound. Und ich denke so: Nichts für mich. Nichts für mich dabei – eine absolute Köterstadt. Nein danke.
Aber, ich will meine Bruna überzeugen. Von den Schwächen, die ein jedes Paradies dann auch wieder entzaubern. Ich weiß: Jedem Paradies sind Grenzen gesetzt. Selbst der Künstlerkammer hier. Die Grenze für mich: Coco. Immer wieder versucht sie, die Leiter emporzuklettern, um an mir vorbeizukommen. Und meine Chill-Stimmung – ist perdu.



Weil Coco extrem nervt. Mein Paradies vernichtet. Und ich weiß, auch in Barcelona kann Nerv sein. Wenn Alltag ist. Dann mutiert auch Barcelona zu Berlin. Das Schöne: Es kann auch andersrum funktionieren: Dass Berlin zu Barcelona wird. Zumindest im Sommer. Wenn Berlin strahlt, blüht. Und die Temperaturen um 28 Grad pendeln.
Im Hochsommer ist Barcelona Hölle. Und die Einwohner flüchten. Weil die – sorry – Köterkacke in der Sonne schmorrt und verrottet, das Meer nicht rote Garnelen, sondern rote Menschenleiber auskotzt, sich die fetten Tourostenleiber in den engen Gassen reiben, weil sie sich längst ob der Hitze der Fake-Barcelona-Trikots entledigt haben.
Und ich frage mich so: Warum kauft eigentlich gefühlt jeder dritte Barcelona-Tourist ein solches Trikot, egal ob Kleinkind oder Greis, ob dick oder dünn, ob männlich, weiblich oder divers. Und immer prangt nur ein Name darauf: Lamine Yamal. Ein 18-Jähriger. Der ganz gut kickt. Warum nur wollen alle dasselbe Trikot? Wo sonst doch alle so auf Individualität gepolt sind, streben sie nun nach Uniformismus. Wohl um zu zeigen – sie gehören einer erfolgreichen, coolen Gemeinschaft an?

Ich springe durchs Atelier meiner Laura. Schärfe die Krallen am Holz der Leiter. Während Coco die Pinsel bearbeitet. Die wunderschön verteilt auf dem Boden liegen. Ist doch ganz nice hier. Auch mit Coco. Unser Paradies. Denke ich so. Entspannt. Während eine Möwe über den Strand Barcelonas fliegt. Und ich dann sehe, meine Bruna wird immer bei mir bleiben. That’s life. Sagt der Hauptstadtkater. Der über euch wacht. Chillt.