Der Kater als Pazifist mit Jagdtrieb

Der Jagdtrieb ist in uns. Wenn sich was bewegt, müssen wir hinterher. Es catchen. Liegt in unseren Genen. Wir sind Raubtiere. Auch als domestizierte Katzen. Klar, ich bin sogar froh, dass wir keine echten, sondern Spielzeugmäuse jagen können. Die dann nicht immer weiter zucken, wenn man sie erwischt hat. Und die man auch nicht töten muss. Denn: Ich hasse töten. Ich bin Pazifist.
Klar, meine Draußen-Kollegen sind gezwungen zu töten, um zu überleben. Aber auch von ihnen sind einige ziemlich degeneriert – legen die erlegte Maus auf den Türabtreter ihres Menschen. Und der Mensch – noch degenerierter – ups, kann man das steigern, das Adjektiv? – also, der Mensch ist tatsächlich angeekelt. Von der toten Maus. Und auch von seinem Tier, das die Maus erlegt hat und stolz präsentiert. Und erregt sich dann noch über einen Mann im fernen Kulmbach, der eine Taube auf dem Marktplatz mit einem Tritt tötete, nachdem diese eine Pommes von ihm vertilgen wollte.
Und ich denke so: Eigentlich doch hassen Menschen wie Katzen Tauben – die Ratten der Lüfte. Diese Viecher, die sich feist vor mich aufs Fenstersims hocken und mich, der direkt vor ihnen thront, nur getrennt durch die Scheibe, zu verhöhnen scheinen. Warum also nicht, sie töten.

Nun: Menschen töten Fliegen. Insekten. Einfach so. Offenbar ist für sie eine Grenze erreicht, wenn es um das Töten von Wirbeltieren geht. Um das willkürliche Töten dieser Tiere wohl. Denn mich wundert: Über das Sterben und Töten bei Massentierhaltung, die es trotz aller krassen Berichte über die Qual der Tiere weitergibt – wird sich meist nur kurz aufgeregt. Schnell wird das Thema verdrängt. Nach dem Motto: Was ich nicht sehe, macht mich nicht heiß. Und ich sehe meine Leute und denke so: Klar, die Verantwortung dafür tragt ihr nicht, aber ihr habt dennoch damit zu tun.
Trifft auch meine Bruna. Anderes Thema. Sie war auf dem Bebelplatz in Berlin. Beim Festival of Lights . Da werden die umliegenden Gebäude mehr oder weniger kitschig-bunt illuminiert – und Bässe wummern. Mitten auf dem Platz im Boden eingelassen ein weiß strahlender Ort, über den die Menschenmassen promenieren.



Durch die dreckige Scheibe sind unterirdisch leere Bücherregale zu erkennen. Und Felix altklug: 1933 sei es gewesen, dass die Nazis hier „undeutsche“ Bücher verbrannt hätten, von Thomas Mann, Erich Kästner. Woran der Ort erinnern soll. Erinnern? Frage ich mich so. Und sehe die Bilder der Menschen in Partylaune. Und frage: Haben sie Verantwortung?
Wo doch der Hass auf Juden weltweit wieder steigt. Rechtsradikale Positionen hoffähig werden. Immerhin, was Positives: Morgen sollen die 20 noch lebenden und von der Hamas im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln nach Israel zurückkehren können. Aber: Wie wird es ihnen nach mehr als zwei Jahren Horror gehen?
Jetzt wurde ein Israeli, der das Massaker vom 7. Oktober 2023 überlebte, tot aufgefunden. Seine Freundin war damals vor seinen Augen auf dem von den Terroristen überfallenen Nova-Musikfestival ermordet worden. Er schrieb in seinem Abschiedsbrief, er könne den Schmerz nicht mehr aushalten. Es trifft mich. Klar: Das ist ein Einzelschicksal. In dem Krieg gab es Zehntausende Opfer. Die meist nur als Zahlen in Nachrichten erschienen.

Es ist alles so tragisch. Coco jagt. Die Maus. Zum Glück ein Spielzeug. Ich hasse Tauben. Wir sind Raubtiere. Und Pazifisten. Sagt der Hauptstadtkater. Der über euch wacht. Chillt.