Die Kritik der Vernunft streift den Unvernünftigen

Ich bin vernünftig. Sage ich mal so. Eine Eigenschaft, mit der sich Menschen gerne brüsten, um dann zu behaupten, die Vernunft sei eine Qualität, die sie von Tieren unterscheide. Ich würde bitter auflachen – wenn ich es könnte. Aber meine Physiognomie lässt es nicht zu. Also – ich denke so: Liebe vernünftige Menschen, schaut: Ukraine. Schaut: Gaza. Schaut: Sudan. Aber da schaut eh keiner hin. Weil der Krieg dort zu kompliziert ist. Aber das ist ein anderes Thema. Ihr vernünftigen Menschen.
Zurück zu mir: Ich habe verstanden, dass ich mein Revier künftig zu teilen habe. Coco ist hier. Und wird hierbleiben. Und da ich Krieg mit ihr ablehne – Vernunft!! – gehe ich Kompromisse ein – Vernunft!! Biete ihr meinen sogenannten Hamastunnel an – ein knisterndes Plastikteil, durch das Katze sich schlängeln kann. Den sie sofort okkupiert. Dann überlasse ich ihr noch meine Angel mit Maus dran. Und versuche entspannt zu bleiben, auch wenn sie ständig hinter mir herläuft. Vernunft!!



Die meisten wissen: US-Präsident Trump ist unvernünftig. Und nur auf den eigenen Vorteil bedacht. Im Fall Nahost kann sein eigener Vorteil ungewöhnlicherweise tatsächlich auch mal vernünftig sein. Trump legte einen 20-Punkte-Plan für Frieden im Gazastreifen vor. Sein Kalkül: Krieg stoppen, damit er – der Ex-Immobilienunternehmer – den völlig zerstörten Küstenstreifen wieder aufbauen kann. Und dort Deals machen kann. Klar: Zugleich geriert er sich als Friedensmacher – und Kandidat für den Friedensnobelpreis. Den er so gern hätte. Aber auch das: Ein anderes Thema.
Trumps Bemühungen sind in diesem Fall erst einmal auch mal positiv für die Betroffenen und die Welt: Wenn Israel den Gazastreifen nicht mehr bombardiert, dann gibt es für die rund zwei Millionen dort noch lebenden Palästinenser wieder so etwas wie Hoffnung. Tatsächlich stimmte Israel dem Plan bereits zu, Trump behauptete, auch arabische und muslimische Staaten fänden ihn gut.
Was drin steht? Unter anderem sollen die 20 noch lebenden und im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln freikommen – im Austausch mit palästinensischen Häftlingen. Die Hamas soll die Waffen abgeben, dann werde den Kämpfern Amnestie gewehrt. Eine von Trump geführter Friedensrat soll dann eine Übergangsregierung kontrollieren. Klingt erst mal vernünftig. Selbst für mich. Aber: Es fehlt die Hamas. Ob sie zustimmen wird? Trump, der nun vom ewigen Frieden dort schwadroniert, hat schon zu oft Hoffnungen enttäuscht.


Ich sehe Coco: Sie schleicht um die Beine meiner Bruna. In deren Arme ich gerade liege. Und meine Bruna – lässt mich fallen. Nimmt Coco hoch. Alta, gibt es das? Was soll ich noch alles aufgeben? Ich hasse es. Meine Bruna ist heilig. Für mich.
Vernunft! Ruft es in mir. Der Puls schlägt in meinen Schläfen. Ich schlurfe zu Cocos Napf. Mit Kittenfutter. Viel leckerer als mein Fraß. Ich hau rein. Meine subtile Rache. Und mir ist es sowas von egal, dass alle behaupten: „Charlie, davon wirst du noch fetter.“ Mir doch egal. Haben sie davon. Wenn sie so unvernünftig sind. Habe auch ich – irgendwann keine Vernunft mehr. Bin ja nur ein Kater.